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Messenger-Dienste: Wie das rote S ins Adressbuch kommt

• Aus der SparkassenZeitung vom 17.03.2021 – Autor: Wolfgang A. Eck •

30 Prozent der deutschen Sparkassen bieten Kunden Kommunikation über Messenger-Dienste. Die Pandemie hat den Trend befördert, über alle Altersgruppen hinweg.

Conversational Banking ist das Wort für Messenger-Kommunikation in der Finanzwirtschaft. Das zeigt die wachsende Anwendungsvielfalt von Chatbots.

Das strategische Kalkül hinter dem Einsatz der Messenger-Kommunikation in Geldinstituten besteht meist darin, junge Zielgruppen anzusprechen und Modernität zu demonstrieren. Die Zukunftsperspektive aber bestimmt künstliche Intelligenz.

WhatsApp ist zwar nicht der einzige Anbieter, hat auf dem Markt der Messaging-Dienste aber eine dominierende Stellung erreicht. 60 von 80 Millionen Bundesbürgern nutzen das System.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen geschult und vorbereitet werden. Sie müssen genau wissen, wie wertvoll diese Art der Kommunikation mit den Kunden ist und wie sie funktioniert.“

Thomas Horn, Teamleiter Produktentwicklung mediale und digitale Dienste & Portale bei S-Markt & Mehrwert.

In den USA hat der Facebook-Messenger die Nase vorn. WeChat, Line oder Telegram spielen in Deutschland eher eine untergeordnete Rolle. Nach den Gesetzen digitaler Geschäftsmodelle wie dem Netzwerkeffekt ist die Position von WhatsApp nicht oder nur unter hohem Kapitaleinsatz anzufechten.

Viele Messenger-Dienste, doch wenig echte Auswahl

Der wichtigste Pluspunkt von WhatsApp als Kundenkanal oder Touchpoint liegt in einer hohen Reaktionsgeschwindigkeit und einer kaum zu übertreffenden Wirksamkeit: Die Öffnungsrate von Inhalten, die Kunden über WhatsApp erhalten, ist enorm und schnell zugleich.

Die durchschnittliche WhatsApp-Nachricht hat eine Öffnungsrate von mehr als 90 Prozent. Zum Vergleich: der E-Mail-Newsletter in der Finanzbranche kommt auf 20,8 Prozent. Das hat auch damit zu tun, dass keiner anderen Anwendung so oft der Zugriff auf den Sperrbildschirm des Smartphones erteilt wird wie WhatsApp.

„Gerade Seniorinnen und Senioren haben zuletzt die Vorteile der ortsunabhängigen Kommunikation mit der Berliner Sparkasse für sich erkannt und genutzt.“

Andreas Broschinski, Leiter des Kontaktcenters der Berliner Sparkasse.

Andreas Broschinski – Leiter des Kontaktcenters der Berliner Sparkasse – berichtet, dass in der Pandemie alle digitalen Kanäle Zuwachs verzeichnet haben, WhatsApp jedoch besonders deutlich: „Gerade Seniorinnen und Senioren haben zuletzt die Vorteile der ortsunabhängigen Kommunikation mit der Berliner Sparkasse für sich erkannt und genutzt“, sagt Broschinski.

Klare Motivationslage, aber nicht immer quantifizierbar

In den Messenger-Präsenzen der Banken steht Verkaufsförderung nicht an erster Stelle. Vielmehr steht im Vordergrund, dass Kunden einen direkten Kontakt und ein wenig komplexes Problem kurzfristig gelöst haben möchten.

Die Messaging-Dienste erlauben dafür auch in Zeiten der Pandemie eine sehr persönliche Form der Lösungsfindung, vorwiegend für Bestandskunden. Mit WhatsApp Business erscheinen die Unternehmen im Adressbuch, direkt neben den eigenen Freunden: „A Brand Like A Friend“.

„Unsere Erfahrung zeigt, dass man mit dem Sparkassen-S in den Kontakten Sparkassen-Kunden angenehm überraschen kann“, sagt Thomas Horn, Teamleiter Produktentwicklung mediale und digitale Dienste & Portale beim Dienstleister S-Markt & Mehrwert (S-MM).

Marcus Sandmann, Leiter Kontaktpunktmanagement und Marktentwicklung der Sparkasse KölnBonn, sieht dank der hohen Erreichbarkeit über Messenger-Dienste die Nähe und Vertrautheit zwischen Sparkasse und Kunden gefördert.

Kundenbindung steht für Sandmann an erster Stelle: „Regelmäßig prüfen wir darüber hinaus den Ausbau in Hinblick auf die Bedürfnisse der Kundschaft.“ Dabei können die Kunden zielgenau zu passenden Produkten und Services geführt werden. Die Berliner Sparkasse nutzt die Textkanäle zunächst auch für eine standardisierte Produktansprache.

„Die hohe Erreichbarkeit über Messenger-Dienste fördert die Nähe und Vertrautheit zwischen der Sparkasse und ihren Kundinnen und Kunden.“

Marcus Sandmann, Leiter Kontaktpunktmanagement und Marktentwicklung Sparkasse KölnBonn.

Standardisierung ist das Zukunftsthema der Branche: Sparkassen und Volksbanken liegen nach einer Studie des Institute for Conversational Business an der Hochschule Aalen beim Einsatz von Chatbots deutlich vor Direktbanken und Fintechs.

Bewertet wurde die Konversationsfähigkeit der Chatbots aus Konsumentensicht anhand von qualitativen und quantitativen Fragen und der sogenannten Intent-Fähigkeit, die beschreibt wie gut Anfragen und Bedürfnisse von Kunden erkannt und beantwortet werden.

In Messenger-Kommunikation investieren große und kleine Häuser, Stadtsparkassen setzen ebenso wie Flächensparkassen auf den noch recht jungen Kanal. Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband beobachtet man, dass Messenger-Dienste die Kommunikation für Kunden effizienter machen.

Marco Massier, DSGV-Referent Mediale Kanäle / Kundenzentrierte Digitale Lösungen, erläutert: „Die Kunden kennen die Tools und können Konversationen unterwegs beginnen, auch unterbrechen und später wiederaufnehmen.“

Asynchronität der Kommunikation, der Verzicht auf Warteschleifen und ein auf ein Drittel eines Telefonats reduzierter Bearbeitungsaufwand sind weitere Vorteile der Messenger-Kommunikation.

Verbunddienstleister S-Markt & Mehrwert hat seit 2018 bereits für ein Drittel aller Sparkassen die WhatsApp-Kommunikationsstruktur mit der Business API aufgesetzt. Zurzeit werden bereits mehr als 160.000 Kunden über den meist als Anbahnungskanal genutzten Messenger erreicht.

So haben Kunden die Möglichkeit, eins zu eins mit dem Berater oder dem Kundenservice-Center in Verbindung zu treten. In der Sparkassenwelt stehen dabei erfahrungsgemäß nicht die Vertriebsfunktionen im Vordergrund, sondern Service und Kundenpflege.

Auch muss die Kontaktaufnahme immer vom Kunden ausgehen. Von der Sparkasse wird der Dialog per Messenger zunächst mit einem Datenschutzhinweis versehen. Kunden vermehrt mit vertrieblichen Nachrichten zu kontaktieren, wäre aus Nutzersicht unangebracht.

Eine starke Vertriebsausrichtung des Kanals ist wegen der Nutzungsvorgaben, die der WhatsApp-Anbieter Facebook vertraglich festhält, auch noch nicht möglich, erklärt SMM-Teamleiter Horn.

Elegante Lösung für den Datenschutz

Grundsätzlich wird WhatsApp in drei Varianten angeboten, für private Nutzung, für das Business kleiner Unternehmen und als Business Application Programming Interface (API), nun auch mit End-to-End-Verschlüsselung, also Chats, Anrufe und alle versendeten Medien werden vom Sender verschlüsselt und erst vom Empfänger wieder entschlüsselt.

Robert Bölke von Sopra Steria Next sagt, bei der DSGVO-Konformität könnten die Geldinstitute beruhigt sein: „Unternehmen, die die WhatsApp Business API nutzen, sind auf der rechtssicheren Seite“.

Bei der Nutzung der WhatsApp Business-API können Sparkassen ihre Bewertung auch auf Informationen aus einem vom DSGV-Projekt Finanzplattform beauftragten Rechtsgutachten stützen.

Für die Datenschutzproblematik empfiehlt S-MM eine simple wie charmante Lösung: Beim Austausch sensibler Daten müsse der Kanalwechsel vom Berater oder Kundenservice-Center-Mitarbeiter forciert werden.

Neben dem Schließen solcher datenschutzrechtlichen Flanken sei allerdings auch die Einstellung der Belegschaft gegenüber der neuen Technologie erfolgsentscheidend. Horn: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen geschult und vorbereitet werden. Sie müssen genau wissen, wie wertvoll diese Art der Kommunikation mit den Kunden ist und wie sie funktioniert“.

Neue Ausbaustufe schon in Sichtweite

Die Organisation des Initial-Kontakts des Kunden über Messenger ist heute schon ausgereift. Doch der Einsatz der Technologie ist noch in einem frühen Stadium, so dass jede Sparkasse mit diesem Kundenvorteil punkten und argumentieren kann.

Und es wäre noch mehr möglich. „Sobald es uns gelingt ein Ökosystem aufzubauen, in dem über den Anbahnungskanal hinaus Services und Funktionalitäten im Sinne fallabschließender Prozesse entwickelt und angeboten werden können, wird die Messenger-Kommunikation im Banking eine ganz neue Stufe erreichen“, sagt Horn.

WhatsApp: Routing-Regeln

Was für Telefonie und E-Mail-Kommunikation gilt, gilt auch für Messenger. Es müssen Regeln aufgestellt werden:

  • Wer vertritt einen abwesenden Berater?
  • Weiterleitung des Chats an das Kundenservicecenter?
  • Vertretung durch einen anderen Berater? Oder ganze Filiale?
  • Gilt das für alle Kunden? Auch für Private Banking? Business Center?
  • Soll nur der abwesende Berater eine E-Mail-Benachrichtigung bekommen, wenn eine neue WhatsApp-Nachricht eingeht? Oder nur der Vertreter? Oder beide? Oder keiner?

Drei Tipps für Sparkassen-Vorstände

  1. Dem Kunden einen Kanal bieten, den er erwartet.
  2. An Vorgaben halten. Technisch und datenschutzrechtlich sicher unterwegs sein.
  3. Mitarbeiter schulen. Klar intern kommunizieren, wie wertvoll der Kanal sein kann und wie man damit umgehen sollte.

Quelle: S-Markt & Mehrwert

Die häufigsten Themen der Messenger-Chats

  • Fragen zum Zahlungsverkehr
  • Anfragen zum Konto
  • Fragen zur Online-Banking-Nutzung
     
  • Terminanfragen und Terminvereinbarung
  • Nachfragen zu Passivprodukten
  • Fragen zur Kreditkarte
     
  • Informationen zu Öffnungszeiten
  • Fragen zur Sparkassen-Card
  • Anfragen und Nachfragen zu Krediten
     
  • Sorten und Devisen
  • Namensänderungen

Anwendungsfall Informationskanal

  • Themen: Börsennews, Anlagetrends und Finanzwissen für Kunden als auch Interessierte
  • Überweisungen und Wertpapierorders werden über einen ergänzend abgesicherten Chat vollzogen
  • Beispiele für Anwender: Banken und Sparkassen, teils auch als digitale Mitarbeiterinformation genutzt

Anwendungsfall Supportkanal

  • Support-Kanal meist auf allgemeine Fragen beschränkt
  • Reaktionskonzepte und Antwort-Bausteine zu den häufigsten Anfragegründe sind in der Regel für beide Kanäle
  • Beispiele für Anwender: Banken, Sparkassen, Fondsanbieter

Berater-Kunde-Chat

  • Instrument trägt zu einem besseren Vertrauensverhältnis und einem häufigeren Austausch bei
  • Typische Inhalte: Terminabstimmungen, Informationsaustausch oder Dokumentenübermittlung
  • Aktuell meist nicht über den Messenger-Dienst, Authentifizierungsansätze aber in der Entwicklung

Quelle: Financial Publishing, Weilburg 2021